Change mit dem House of Change

Warum scheitern 70 % aller Veränderungsvorhaben?

Stell dir vor, dein Unternehmen führt eine neue Software ein – einige sind begeistert, andere blocken völlig ab und wiederum andere gehen in den offenen Widerstand… kommt dir diese Szenario bekannt vor?!

Wir alle sind von Veränderungen betroffen und die Veränderungsgeschwindigkeit nimmt rasant zu. Ich glaube wir alle kenen das Sprichwort „Nichts ist so stetig wie der Wandel.“ Bei all dem Wandel müssten wir wahre Meister der Veränderung sein, oder?

Und trotzdem scheitern nach wie vor 70 % aller Veränderungsvorhaben. Bereits vor 30 Jahren kam John Kotter in einer Studie zu diesem Ergebnis – und bis heute hat sich daran wenig geändert.

Doch warum ist das so?

Ähnlich dem Eisbergmodell gibt es beim Unternehmenswandel eine Oberflächen- und Tiefenstruktur. Beide Ebenen sind für eine gelingende Veränderung bedeutsam.

Oberflächenstruktur

Sichtbare, beobachtbare Aspekte wie Prozesse, Strukturen und Verhalten.

 

Tiefenstruktur

Unsichtbare Faktoren wie Normen, Werte, Überzeugungen und Emotionen.

 

Die Tiefenstruktur beeinflusst die Oberflächenstruktur – und genau hier liegt die Herausforderung.

Häufig agieren Unternehmen auf der Oberflächenstruktur und berücksichtigen die Tiefenstruktur wenig oder kaum.

Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass sehr häufig rein sachlich, rational und logisch argumentiert wird und sich stark auf die Veränderung der Prozesse, Tools etc. fokussiert wird und dabei die psychologischen Facetten des Wandels vergessen werden.

Veränderungen betrifft jedoch Menschen und ihre Emotionen, daher müssen diese im Prozess berücksichtigt werden.

Ein Modell, das Führungskräften und HR-Mitarbeitenden Orientierung im Veränderungsprozess gibt, besonders in Bezug auf das emotionale Erleben von Mitarbeitenden während eines Wandels, ist das Change House des schwedischen Psychologen Claes F. Janssen.

In diesem Artikel möchte ich das House of Change vorstellen und konkrete Tipps geben, wie Führungskräfte und HR-Expert:innen Mitarbeitende in Veränderungsprozessen erfolgreich begleiten können.

Das House of Change: Die 4 Räume der Veränderung

Das Change House beschreibt die emotionalen Phasen, die Menschen während eines Unternehmenswandels durchlaufen. Es besteht aus vier Zimmern:

Mit dem House of Change Veränderungen erfolgreich begleiten

Zimmer der Zufriedenheit

„Alles ist gut, wie es ist.“

  • Mitarbeitende fühlen sich sicher, ihre Umgebung ist vertraut.
  • Typische Reaktionen: Heraufziehende Veränderungen werden ignoriert oder kleingeredet.
  • Das Ende dieser Phase ist oft ein Schockmoment, wenn klar wird, dass der Status quo nicht mehr haltbar ist.

Zimmer der Ablehnung

„Das will ich nicht!“

  • Die Notwendigkeit der Veränderung wird erkannt, aber abgelehnt oder heruntergespielt.
  • Typische Reaktionen: Widerstand, Verdrängung, Festhalten an der Vergangenheit.
  • Das Alte wird häufig romantisiert und besser wahrgenommen als das Neue – typisch sind Aussagen wie „Das war früher besser!“ oder „So kann das doch nicht funktionieren.“

Zimmer der Verwirrung

„Wie geht es jetzt weiter?“

  • Die alte Situation existiert nicht mehr, aber die neue ist noch unklar.
  • Es gibt keine festen Strukturen oder Prozesse – Unsicherheit und Chaos herrschen.
  • Mitarbeitende fühlen sich überfordert und orientierungslos.

Zimmer der Erneuerung

„Es funktioniert ja doch!“

  • Neue Strukturen und Routinen entstehen.

  • Erste Erfolgserlebnisse geben Sicherheit und stärken das Vertrauen.

  • Die Veränderung wird akzeptiert, doch die Phase kostet Energie – Erschöpfung kann auftreten.

Sobald sich das neue Normal etabliert hat, bleiben Mitarbeitende wieder eine Zeit lang im Zimmer der Zufriedenheit, bis zur  nächsten Veränderung.

Wichtig: Das House of Change wird nicht zwangsläufig immer linear, also von einem Zimmer zum nächsten durchlaufen. Es kann passieren das ein Mitarbeitender, der schon in einem späteren Zimmer war, wieder in das vorhergehende Zimmer „zurückfällt“. 

Führung und HR als Veränderungsbegleiter: So unterstützt ihr in den einzelnen Phasen des Change House

Wie können Führungskräfte und HR das Change House Modell nutzen, um den Unternehmenswandel emotional zu begleiten und Mitarbeitende genau dort abzuholen, wo sie sich im Veränderungsprozess befinden?

Die Herausforderung: Menschen durchlaufen die Phasen nicht gleichzeitig und gleich schnell.

Einige sehen Veränderungen als Chance und schreiten zügig durch die Räume, während andere zögern oder Widerstand leisten.

Ein entscheidender Faktor hierbei ist das Mindset.

Menschen mit einem Growth Mindset nehmen Veränderungen offener an als Personen mit einem Fixed Mindset.

Mehr zum Growth Mindset und wie es Führungskräfte und HR fördern können, liest du hier.

Wichtig: Biete verschiedene Angebote an, so kann sich jeder Mitarbeitenden das passende für sich raussuchen.

Zimmer der Zufriedenheit

Typische Anzeichen: „Das betrifft uns nicht“, Ignoranz, Abwarten.

Ziel: Veränderungen frühzeitig kommunizieren.

 

Maßnahmen für Führungskräfte und HR

Eine starke Vision entwickeln

Eine klare Zukunftsvision sorgt für Orientierung und emotionale Bindung. Ein Visionboard kann helfen, diese greifbar zu machen. Was das ist und wie es funktioniert erfährst du hier.

Informationskampagne planen

Kommunikation ist der Schlüssel. Veränderung wird nur akzeptiert, wenn Mitarbeitende verstehen:

  • Warum ist die Veränderung notwendig?
  • Wie betrifft sie mich konkret?
  • Welche Unterstützung gibt es?
  • Gibt es Erfolgsgeschichten, die Mut machen?

Merke: Wenn du denkst, du hast genug kommuniziert – kommuniziere weiter!

Arbeit mit Personas

Erstelle fiktive, aber realitätsnahe Personas der Mitarbeitenden, um ihre unterschiedlichen Reaktionen zu verstehen. Beispiele:

  • Early Adopters – begeistert, experimentierfreudig
  • Second Adopters – interessiert, aber abwartend
  • Skeptiker – vorsichtig, hinterfragen kritisch
  • Widerständler – lehnen die Veränderung aktiv ab

Jede dieser Gruppen benötigt eine spezifische Ansprache und Begleitung.

Dialog statt Druck

Widerstände lassen sich nicht mit Druck lösen. Setze stattdessen auf offene Gespräche, um Sorgen und Ängste ernst zu nehmen.

Zimmer der Ablehnung

Typische Anzeichen: „Früher lief doch alles gut!“, Verleugnung, Kritik am Neuen.

Ziel: Emotionen anerkennen und Widerstand begleiten

 

Maßnahmen für Führungskräfte und HR

Räume für offene Gespräche schaffen

Emotionen nicht negieren, sondern aktiv Raum für den Austausch bieten. Veränderungen sind emotional – das muss anerkannt werden.

Emotionen in der Veränerung

Erkläre den Mitarbeitenden, dass ihre Emotionen, Ängste und Widerstand eine natürliche Reaktion auf Veränderungen sind. Verständnis reduziert Unsicherheit bei den Mitarbeitenden.

Emotionsmanagement fördern

Unser Denken beeinflusst unsere Emotionen und unser Verhalten – und umgekehrt.

Beispiel:

  • Gedanke: „Ich bin kompetent.“ → Selbstbewusstes Auftreten → Wahrgenommen als kompetent.
  • Gedanke: „Ich kann das nicht.“ → Zögerliches Verhalten → Bestätigung der Unsicherheit.

Vier Schritte zum bewussten Gedankenmanagement:

  1. Negative Denkmuster erkennen
  2. Gedanken hinterfragen
  3. Emotionale Auswirkungen verstehen
  4. Unterstützende Überzeugungen entwickeln

Vergangenes wertschätzen

Veränderung bedeutet nicht, dass frühere Prozesse schlecht waren. Anerkennung der bisherigen Arbeit fördert Akzeptanz.

Zimmer der Verwirrung

Typische Anzeichen: Unsicherheit, Überforderung, Chaos

Ziel: Orientierung und Sicherheit bieten

 

Maßnahmen für Führungskräfte und HR

Klare nächste Schritte definieren

Ein strukturierter Fahrplan mit Meilensteinen und Zuständigkeiten gibt Sicherheit. Regelmäßige Updates über verschiedene Kanäle sorgen für Orientierung.

Neue Strukturen schrittweise etablieren

Statt alles auf einmal umzustellen, helfen Pilotprojekte und Tests in kleineren Teams, um Anpassungen vorzunehmen.

Mitarbeitende aktiv einbinden

Beteiligung stärkt Akzeptanz. Workshops, Change-Botschafter oder Feedbackrunden helfen, Mitarbeitende mitzunehmen.

Regelmäßiges Feedback geben

Einzelgespräche und Team-Meetings nutzen, um Fortschritte sichtbar zu machen und Unsicherheiten abzubauen.

Mut zum Experimentieren fördern

Eine offene Fehlerkultur ermutigt Mitarbeitende, Neues auszuprobieren und schrittweise Sicherheit zu gewinnen.

Zimmer der Erneuerung

Typische Anzeichen: Neues wird akzeptiert, erste Erfolge treten ein – aber Erschöpfung kann spürbar sein.

Ziel:Nachhaltige Veränderung sicherstellen

 

Maßnahmen für Führungskräfte und HR

Erfolge bewusst feiern

Meilensteine reflektieren, positives Feedback aussprechen und Erfolgsgeschichten sichtbar machen. Das steigert Motivation und Vertrauen.

Regelmäßige Reflexion einbauen

Retrospektiven und Feedbackschleifen helfen, aus Erfahrungen zu lernen und den Wandel langfristig zu verankern.

Kontinuierliches Lernen fördern

Workshops, Peer-Learning oder Mentoring-Programme helfen, neue Prozesse nachhaltig zu etablieren.

Change Fatigue vermeiden

Gezielte Pausen, Wertschätzung und transparente Kommunikation helfen, Erschöpfung zu reduzieren und Engagement hochzuhalten.

Fazit

Veränderung ist kein linearer Prozess – Menschen durchlaufen die Phasen des Change House in ihrem eigenen Tempo.

Führung und HR können diesen Prozess aktiv gestalten, indem sie Orientierung, Sicherheit und eine klare Kommunikation bieten. Und das Change House kann dabei helfen den Wandel emotional zu begleiten und Mitarbeitende gezielt dort abzuholen, wo sie gerade stehen.

Du möchtest die wichtigsten Maßnahmen auf einen Blick? Ich habe eine kompakte Checkliste entwickelt, die dir hilft, die Phasen des Change House gezielt zu begleiten.

📩 Schreib mir einfach eine Nachricht an info@venara.de und ich sende sie dir zu!

Quellen

John P. Kotter: Leading Change: Why Transformation Efforts Fail. In: Harvard Business Review. Band 2, Reprint 95204, 1995, S. 59–67.

Background and theory – Four Rooms of Change (abgerufen am 04.02.2025)