Agile Lernformate

Sind agile Lernformate beim Aufbau von Vertrauen und Zuversicht förderlich?

 

Frustrierten und unzufriedenen Teams fehlt oft die Zuversicht und das Vertrauen, dass sie an ihren wahrgenommenen Herausforderungen etwas ändern können. Insbesondere, wenn es schon verschiedene Versuche zur Lösung der Herausforderungen gab. Unter diesen Umständen werden dann Aussagen wie z.B. „Ist das eine Fake-Veranstaltung, damit ein Häkchen gesetzt werden kann?“ getätigt. Sind agile Lernformate geeignet, um Vertrauen und Zuversicht aufzubauen?

Check-In/Einstieg in den Workshop

Um das Team effektiv einzubinden, ist es zunächst wichtig, ihre Gefühle anzusprechen und Raum für Offenheit zu schaffen. Viele Menschen sind nicht daran gewöhnt, im beruflichen Umfeld über ihre Emotionen zu sprechen. Daher benötigen sie einen Anlass, um sich auszudrücken. Eine Möglichkeit diese Barriere zu überwinden, ist ein Check-Ins mit Bildkarten. Jeder Teilnehmer wählt eine Karte aus, die seine aktuellen Gedanken und Gefühle zu einem bestimmten Thema, wie z.B. dem bevorstehenden Workshop, repräsentiert. Auf diese Weise erleichtern agile Lernformate es den Teilnehmenden, über ihren Gemütszustand zu sprechen und eine Brücke für offene Kommunikation zu schaffen.

Mit Retrospektiven Themen sammeln

Im nächsten Schritt geht es darum, die Gründe für die Unzufriedenheiten herauszufinden. Ein wunderbares agiles Lernformat hierfür sind Retrospektiven (sog. Retros). Ein Beispiel für eine solche Retro ist die Hot Air Ballon Retro.
Die Retro besteht insgesamt aus drei Fragen, die sowohl die Ressourcen als auch die Selbstwirksamkeit sowie die Herausforderungen des Teams beleuchtet.

Ressourcen

Die Frage „Was lässt uns steigen“ hilft dem Team dabei, die vorhandenen Ressourcen zu erkennen. Am Ende der Retro hat das Team eine Sammlung von Ressourcen entwickelt, auf die es in herausfordernden Zeiten zurückgreifen kann. Ressourcen sind bei der Überwindung von Herausforderungen und der Lösungsfindung wichtig. Dabei sind Ressourcen vielfältig, das kann der Teamkollege mit den kreativen Ideen, verschiedene interne und externe Informationsquellen, die gegenseitige Wertschätzung im Team oder das offene Ohr der lieben Kollegin sein.

Selbstwirksamkeit

Bei der Frage „Wo müssen wir noch mehr einheizen?“ geht es um die Selbstwirksamkeit im Team. Der eigene Einflussbereich wird dadurch sichtbar und bewusst. Hier werden alle Punkte gesammelt, die vom Team selbst geändert werden können. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch Bedingungen gibt, die in den Verantwortungsbereich der Führungskraft oder des Managements fallen. Aber ich erlebe oft, dass dies vorschnell passiert und dann kaum noch darüber gesprochen wird, was denn das Team für Handlungsspielräume hat.

Negative Faktoren

Die dritte Frage „Was hält uns am Boden?“ bzw. „Was sind unsere Sandsäcke?“ zielt auf Faktoren ab, die das Team negativ beeinflussen. Hier können sämtliche Faktoren von fehlendem Team-Zusammenhalt, aber auch ungünstige Rahmenbedingungen, umständliche Prozesse oder das fehlende Vertrauen der Führungskraft stehen.

Einsichten gewinnen

Im Anschluss geht es darum Einsichten aus der Themensammlung zu gewinnen. Was ist das konkrete Hindernis bei einem Thema? Steht beispielsweise auf einer Karte „fehlendes Vertrauen des Managements“, muss geklärt werden, was dies konkret für das Team bedeutet. Hier ist es sehr wichtig, dass die Mitarbeitenden ihr Problem so konkret wie möglich benennen. Oft wird das Hindernis nicht klar und konkret genug definiert. Das ist u.a. ein Grund, warum sich nach solchen Workshops wenig, bis nichts verändert.

Veranschaulichung am Beispiel „Vertrauen“ 

Die Karte mit dem Vertrauen ist ein gutes Beispiel dafür. Jeder Mensch hat ein anderes Verständnis von Vertrauen. Für den Mitarbeitenden bedeutet Vertrauen, dass er ein Projekt von Anfang bis zum Ende gestalten kann und nur das Endergebnis mit der Führungskraft bespricht. Für die Führungskraft hingegen bedeutet es möglicherweise, dass sie dem Mitarbeitenden die Entscheidung überlässt, auf welche Art und Weise er einzelne Projektteile bearbeitet. Sie jedoch regelmäßig über den Projektfortgang informiert werden möchte und die Freigabe für weitere Schritte erteilt. Die beiden Auffassungen von Vertrauen sind nicht kongruent und daraus können sich Probleme ergeben. Was bedeutet Vertrauen konkret für den jeweils anderen oder wie zeigt es sich. Solange nicht über die unterschiedlichen Definitionen gesprochen wird, empfindet es zwar jeder als Problem, aber als Problem des anderen. Es wird dann jeweils von der anderen Person erwartet, dass er oder sie sich verändert. Und die Wahrscheinlichkeit einer Lösung sinkt.

Lösungen entwickeln

Kopfstand – Herausforderungen nicht lösen 

Agile Lernformate helfen bei der Entwicklung von Lösungsideen, wenn die konkreten Hindernisse herausgearbeitet sind. Die Kopfstand-Methode beispielsweise regt die Kreativität an, da eben nicht die klassische Frage „Wie lösen wir das Hindernis?“ gestellt wird, sondern zunächst die Frage „Wie ich das Problem garantiert nicht löse bzw. es sogar noch verschlimmere?“ Neben dem Effekt auf die Kreativität versetzt diese Frage viele Menschen in ein positives Gefühl und sie empfinden Freude dabei, die Hindernisse zu vergrößern. Diese Technik fördert nicht nur die Kreativität, sondern wandelt das Gefühl von Frustration und Demotivation in Freude. Dadurch werden die Menschen offener und nochmals kreativer.

Herausforderungen lösen

Im Anschluss daran, werden die gefundenen Punkte umgedreht und schon hat man viele wunderbare Lösungsideen. Auch hier gilt, je konkreter, desto besser. Und wenn zusätzlich noch Kriterien definiert werden, wann eine Lösungsidee erfolgreich umgesetzt wurde sowie der Nutzen für das Team und/oder das Unternehmen herausgearbeitet wird, steigt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Veränderung. Diese Konkretisierung hat also einerseits den Effekt, dass sich die Mitarbeitenden noch einmal tiefer mit dem Thema auseinandersetzen, und andererseits steigt die Zuversicht der Mitarbeitenden sowie Wahrscheinlichkeit einer Veränderung.

Planung der nächsten Schritte

Abschließend werden noch die Aufgaben geplant, Verantwortlichkeiten und der Zeitraum geklärt. Dies kann zum Beispiel mithilfe eines Kanban-Boards erfolgen. Durch die Visualisierung ist für jedes Teammitglied jederzeit im weiteren Verlauf der aktuelle Bearbeitungsstand ersichtlich.

Zusammenfassung

Insgesamt können also mit agilen Lernformaten, wie z.B. Check-Ins und Retros wirksame Workshops gestaltet werden, die zu einem tieferen Verständnis des vorliegenden Themas führen. Zudem kann vorhandene Frustration und Demotivation in positive Energie und Zuversicht transformiert werden, sodass Zuversicht und Veränderungsbereitschaft steigen.

 

Quellen

Thonet, Claudia (2022). Agile Meeting und Workshops: Ein Arbeitsbuch. Verlag: Vahlen.