
Warum wir Fehler nicht akzeptieren – und warum das ein Problem ist
Die erfolgreichsten Unternehmen der Welt zeigen: Systematisches Lernen aus Fehlern ist ein Schlüssel zur Innovation.
Unternehmen wie Google, Toyota oder Amazon haben eine Fehlerkultur fest in ihrer Unternehmenskultur verankert.
Und trotzdem behandeln viele Organisationen Fehler nach wie vor wie ein Tabu.
Wer einen Fehler macht, fürchtet Konsequenzen. Vielleicht ein schlechtes Feedback, vielleicht einen Karriereknick, vielleicht sogar den Jobverlust.
Kein Wunder also, dass in vielen Unternehmen Fehler vertuscht oder schöngeredet werden.
Doch genau das ist der Punkt: Wer Fehler nicht sichtbar macht, kann auch nicht aus ihnen lernen. Statt Fehler zu vermeiden, sollten wir sie nutzen – und genau das bedeutet eine echte Lernkultur.
In diesem Beitrag erfährst du:
- Warum Fehler in vielen Unternehmen noch immer tabuisiert werden – und warum das schädlich ist.
- Der Unterschied zwischen Fehlerkultur und Lernkultur – und warum der Fokus auf Lernen entscheidend ist.
- Konkrete Maßnahmen, mit denen Unternehmen eine offene Lernkultur etablieren können.
Fehlerkultur: Was wir von Kindern lernen können
Die Entwicklungspsychologie zeigt uns einen Aspekt des menschlichen Lernens: Lernen aus Fehlern.
Kinder verfügen noch ganz natürlich über diese Fähigkeit. Sie probieren aus, scheitern, passen an und verbessern sich – völlig ohne Angst vor dem nächsten Versuch. Bevor Kinder beispielsweise laufen können, fallen sie unzählige Male hin.

Dieser natürliche Lernmechanismus ist tief in unserer Entwicklung verankert.
Doch irgendwo zwischen Kindergarten und Berufsleben verlernen wir diese wertvolle Fähigkeit. In der Schule werden Fehler mit schlechten Noten abgestraft, in Unternehmen mit Kritik oder gar Sanktionen.
Und so entsteht eine Kultur, in der Menschen lieber auf Nummer sicher gehen, statt zu experimentieren oder neue Wege zu finden.
Warum Fehlerkultur nicht ausreicht – und warum wir eine Lernkultur brauchen
Viele sprechen von einer „positiven Fehlerkultur„.
Doch ehrlich gesagt – halte ich diesen Begriff für unglücklich. Denn es geht nicht darum, Fehler aktiv zu fördern oder schönzureden. Den Fehler können teuer, frustrierend und manchmal sogar gefährlich sein.
Worauf es ankommt, ist der systematische Umgang mit ihnen. Deshalb spreche ich lieber von „Lernkultur„.
Und der Unterschied zwischen Fehlerkultur und Lernkultur ist fundamental:
Fehlerkultur
- Fehlerkultur fokussiert auf den Moment des Scheiterns
- Fehlerkultur fragt „Wer war’s? Wer hat Schuld?“
- Fehlerkultur versucht Fehler zu vermeiden
- Fehlerkultur schafft Angst
Lernkultur
- Lernkultur fokussiert auf den Prozess der Verbesserung
- Lernkultur fragt „Was können wir daraus lernen?“
- Lernkultur nutzt sie als Innovationstreiber
- Lernkultur schafft Motivation
Wie Unternehmen eine Lernkultur etablieren können
1. Fehler reframen: Vom Problem zur Lernchance
Ein Fehler ist oft kein Weltuntergang. Es ist ein Hinweis darauf, dass ein Prozess, eine Strategie oder eine Annahme nicht funktioniert hat. Anstatt Fehler als Makel zu sehen, sollten Unternehmen sie als Lernanlass nutzen.
Ein konkretes Beispiel: Ein Vertriebsteam verliert einen wichtigen Kunden. Klassische Reaktion: Schuldzuweisung an den zuständigen Account Manager.
In einer Lernkultur sieht der Prozess anders aus:
- Fact-Finding (Was ist faktisch passiert?)
- Root Cause Analysis (Welche strukturellen Ursachen gab es?)
- Learning Loop (Welche drei konkreten Maßnahmen leiten wir ab?)
- Follow-up (Wie stellen wir sicher, dass die Learnings umgesetzt werden?)
Dieses Vorgehen basiert auf dem bewährten „Kaizen„-Prinzip von Toyota, das kontinuierliche Verbesserung durch systematisches Lernen aus Fehlern in den Mittelpunkt stellt (Liker, 2004).
2. Psychologische Sicherheit schaffen
Das Konzept der psychologischen Sicherheit von Amy Edmondson (2018) gibt Hinweise darauf, wie eine Umgebung beschaffen sein muss, damit Mitarbeitenden ihr volles Potenzial entfalten.
Kennzeichen einer psychologisch sicheren Umgebung sind: Vertrauen, Offenheit, Wertschätzung und Fehlerakzeptanz.
In einer psychologisch sicheren Umgebung fühlen sich Teammitglieder sicher, respektieren und wertschätzen die Beiträge anderer, unabhängig von ihrer Position oder Meinung.
Die Mitarbeitenden teilen dadurch ihre Gedanken, Ideen sowie Meinungen und Bedenken, ohne Angst vor Kritik, Bloßstellung oder negativen Konsequenzen.
Fehler werden in solchen Umgebungen als natürlicher Teil des Lernprozesses angesehen, die dem Team dabei helfen zu lernen und sich weiterzuentwickeln, anstatt nach Schuldigen zu suchen.
Die Untersuchungen von Amy Edmondson und andere Studien, z.B. Googles „Project Aristotle“, eine umfassende Studie zur Teameffektivität (Rozovsky, 2015), identifizieren psychologische Sicherheit als einen der wichtigsten Faktoren für erfolgreiche Teams.
Übrigens: Warum psychologische Sicherheit für Unternehmen wichtig ist und wie diese gefördert werden kann, erfährst du hier.
3. Fehler sichtbar machen – und aus ihnen lernen
Hier gibt es viele Möglichkeiten und der eigenen Kreativität sind hier keine Grenze gesetzt – alles was den Mitarbeitenden dabei hilft, offen über Fehler zu sprechen, ist erlaubt.
Folgende Methoden haben sich:
- Failure Talks: Führungskräfte und Mitarbeitenden teilen ihre größten Fehler und was sie daraus gelernt haben. Übrigens: Was das ist und eine Schritt für Schritt-Anleitung findest du hier.
- Tops & Flops Meetings: Teams reflektieren gemeinsam, was gut und was schiefgelaufen ist – und welche Learnings sie daraus ziehen.
- Experimentierkultur fördern: Fehler sind oft ein Zeichen dafür, dass jemand Neues ausprobiert hat. Unternehmen, die Innovation fördern wollen, müssen Fehler als Teil dieses Prozesses akzeptieren. Nach dem Prinzip „Fail Fast, Learn Fast“ werden kontrollierte Experimente gefördert und diese auch als solche explizit bezeichnet.
Was sind messbare Erfolgsindikatoren einer Lernkultur?
Es gibt verschiedene Faktoren, woran Unternehmen erkennen können, ob ihre Teams oder das Unternehmen systematisch aus Fehlern lernt.
Folgenden Erfolgsindikatoren können dafür relevant sein:
- Fehler werden transparent gemacht – ohne dabei mit dem Finge rauf jemanden zu zeigen
- Fehler werden früher gemeldet und schneller behoben
- Fehler werden analysiert, um Muster und Verbesserungspotenziale zu erkennen.
- Mitarbeiter bringen proaktiv Verbesserungsvorschläge ein.
- Innovation und Experimentierfreude nehmen zu.
- Feedback wird nicht als Bestrafung, sondern als Entwicklungswerkzeug verstanden.
- Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und offen über eigene Fehler sprechen.
Fazit: Wer keine Fehler macht, bleibt stehen
„Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge.“
(Henry Ford)
Erfolgreiche Unternehmen haben verstanden, dass systematisches Lernen aus Fehlern der schnellste Weg zu Innovation und Erfolg ist.
Eine echte Lernkultur bedeutet nicht, Fehler zu verstecken, sondern sie als notwendiges Element des Fortschritts zu akzeptieren.
Die Frage ist nicht, ob Fehler passieren – sondern wie schnell und systematisch Unternehmen daraus lernen.
Fehler können teuer sein – oder die wertvollste Ressource für Weiterentwicklung.
Buche einen Termin, und wir besprechen, welche Schritte für dein Unternehmen sinnvoll sein könnten.
Wenn du schon jetzt den ersten Schritt gehen möchtest und selbst ausprobieren willst, sende ich dir gerne eine Beschreibung für einen Failure Talk zu – schreibe mir unter info@venara.de und ich schicke dir diese zu.
Quellen
Rozovsky, J. (2015). The five keys to a successful Google team. re:Work
Edmondson, A. (2018). The Fearless Organization: Creating Psychological Safety in the Workplace for Learning, Innovation, and Growth. Wiley
Liker, J. K. (2004). The Toyota Way: 14 Management Principles from the World’s Greatest Manufacturer. McGraw-Hill